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Adventkalender – 4. Dezember

Eine Flugreise

Nach dem ersten Schock, dass sie Weihnachten ohne Eltern aber zusammen mit einem völlig unbekannten Onkel Ferdinand an einem fremden Ort verbringen sollten und als sie begriffen hatten, wie schwer es Papa selbst fiel, sich mit dieser Idee anzufreunden, gingen Johanna und Thomas gemeinsam in die Küche, um, wie Johanna es nannte, eine kurze Konferenz abzuhalten.

„Wichtig ist nur, dass Mama und Papa sich jetzt um uns keine Sorgen machen müssen“, sagte Johanna zu Thomas, dem ein paar Tränen die Wangen hinunter liefen. Er war ja erst 10 Jahre alt und da darf man noch weinen.
Thomas nickte und wischte mit der Hand über seine Augen und Wangen.
„Besser, als im Armenhaus zu landen“, schniefte er. Er hatte gerade Oliver Twist gelesen und wusste, wie schrecklich es dort war.
„Ganz genau“, sagte Johanna tapfer. „Da geht es uns viel besser. Und bestimmt ist dieser Großonkel Ferdinand der netteste Großonkel auf Erden.“

In der nächsten halben Stunde telefonierte Papa nochmals mit Stefanie, und diese versprach Thomas und Johanna bei jenem unbekannten Großonkel Ferdinand abzuliefern.
„Obwohl ich natürlich kein Fan von Flugreisen bin“, tadelte sie Papa. „Aber jetzt muss es ja schnell gehen.“

Nach ihrer Zusage buchte Papa drei Flüge nach Brest und nur einen Flug für den selben Abend zurück.
„Wo liegt Brest?“, fragte Thomas, der ihm am Laptop über die Schulter schaute.
„In Frankreich“, sagte Papa. „Genauer gesagt in der Bretagne. Eine wunderschöne Gegend. Als Kind war ich öfters dort.“
„Und dort wohnt dieser Großonkel Ferdinand?“, fragte Johanna.

„Oh nein. Er hasst Menschenmassen. Er wohnt auf einer Insel vor der Küste“, erklärte Papa.
Auf einer Insel? Thomas und Johanna konnten kaum glauben, was sie da hörten. Einen Onkel auf einer Insel? Und es kam noch außergewöhnlicher.

„Er wohnt in einem Leuchtturm“, setzte Papa fort. „Als kleiner Bub habe ich ihn dort im Sommer ein paar Mal besucht. Es ist der aufregendste Ort, den ein Kind sich vorstellen kann. Die Insel, der Leuchtturm. Mehr als einmal habe ich Seehunde beobachten können und draußen geschlafen, zugedeckt von einem riesigen, von Sternen übersäten Himmel. Wie Robinson Crusoe habe ich mich gefühlt.“ Er lächelte bei der Erinnerung.
„Wirklich!“, rief Thomas. „Wir können draußen schlafen? Hörst du das, Johanna?“
Johanna schluckte.
Im Dezember erschien ihr das nicht wahrscheinlich. Aber sie war froh, dass Thomas anfing, die Sache als tolles Abenteuer zu betrachten. Wenn man fest daran glaubt, dass etwas schön und gut wird, erträgt man das Unbekannte und Unerwartete viel leichter.
Stattdessen fragte sie: „Und wie kommen wir vom Flughafen auf die Insel?“
„Onkel Ferdinand wir alles regeln, hat er gesagt. Ich muss ihm nur noch die Ankunftszeit durchgeben. Ihr packt jetzt am besten eure Reisetaschen. In einer halben Stunde kommt Stefanie und fährt mit euch zum Flughafen, und mich wird die Rettung dann auch bald abholen.“

Papa schaute auf einmal so unglücklich, dass Johanna ihn fest umarmte.
„Mach dir unseretwegen keine Sorgen. Bestimmt werden wir viel Spaß haben.“
Und auch Thomas nickte.
„Ich war noch nie auf einer einsamen Insel. Und, und …“ Er stockte. „… und Weihnachten feiern wir einfach nachher, wenn du gesund bist und Mama mit dem Baby auch wieder zu Hause ist.“

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